Mittwoch, Mai 10, 2017

Hungerleider

Gestern, als ich gerade eine Nudelpfanne zum Abendessen vorbereitete, kam ein ganz blasser Little L. zu mir und meinte: "Mami, kann ich grad jetzt schon was zu Essen haben, mir ist total schwummrig und komisch, ich bin so zittrig, ich kann nicht mal hangry sein und ganz sicher nicht warten, bis die Nudeln fertig sind."


Ich öffnete ihm also eine Banane*, setzte ihn auf die Arbeitsplatte und fragte ihn, wie es dann dazu gekommen sei, dass er so unglaublich schwach wäre. Und das war so:


"Also. Mami, mein Znüni habe ich heute dem L. gegeben, der hatte nämlich nix dabei, und der wird noch viel schneller hungrig als ich. Er fand es übrigens auch total lecker. Eigentlich wollte mir dann der J. was von seinem Essen abgeben, aber der hat doch Diabetes und muss immer alles essen, was in seiner Box ist, also ging das dann doch nicht. Ich habe also nix gegessen. Und dann hat mir das Mittagessen nur so mittel geschmeckt und ich habe nur ein bisschen gegessen, und am Nachmittag gabs dann nur Äpfel, die mag ich ja schon, aber das hat nicht gereicht, und ein paar Kekse, und ausserdem wollte ich unbedingt raus, weil wir hatten ja den Nerf-Kampf am Laufen, und deshalb hatte ich keine Zeit zum Essen, und so war das dann."


In der Zwischenzeit war Little Q. in die Küche gekommen und meinte: "Ich hatte im Fall heute auch kein Znüni in der Schule, weil Little L. meine Box auch eingepackt hat."


Und so stellate sich heraus, dass ein Kind zwei und ein Kind keine Brotzeit dabei gehabt hatte. Das mit keiner kam aber nicht auf die Idee, das mit zwei zu fragen, ob es was abhaben könnte (gut, der hatte sein Essen eh schon verschenkt), weil er ja dachte, er hätte es einfach daheim stehen lassen.


Eine Frage brannte mir dann aber noch auf der Seele: "Aber, mein lieber L., wenn Du doch zwei Boxen dabei hattest, da hättest Du doch auch nach dem Verschenken noch eine ganze Mahlzeit dabei gehabt. Warum hast Du denn die nicht gegessen?"


"Weisst Du, Mami, ich war mir auf einmal nicht mehr sicher, ob ich am Tag vorher meine leergegessene Box überhaupt aus der Schultasche geräumt hatte und dachte, das wäre vielleicht die. Und da wollte ich sicher nicht reinschauen, wer weiss, was da für grusige Reste dringewesen wären."


"Okay, man kann also als Fazit sagen: ihr hattet insgesamt euer ganzes Essen dabei, satt geworden ist aber niemand davon. Das muss man auch erstmal schaffen, Jungs."


"Mami, das stimmt nicht ganz: einer ist satt geworden: der L.. Und zwar richtig gut."


Joah.


*Banane aufmachen ohne das obere Drittel zu Brei zu zerquetschen. Skier tragen ohne vor Wut wegen Unhandlichkeit weinen und wüten zu müssen, und Bettdecke so ans Kinn hochziehen, dass man nicht nur den Bezug erwischt und am Ende so einen Klumpen am Fussende und ein dünnes Laken zum Zudecken hat, das sind die Skills, die ich erst im Erwachsenenalter erworben habe, und über die ich mich immer noch freue wie ein kleiens Kind.

1 Kommentar:

Unknown hat gesagt…

Einfach nur süss - ich find die Logik echt herzig und vorallem das er so Empathisch erstmal an Andere denkt und dann selbst Halb Verhungert :)) Gut habe ihr sie erzogen, so mitfühlend.

Grüsse
Juli